x Roachware: Wer liebe Dunkelefen will, sollte lieber bei Drizzt bleiben

Freitag, 12. Juni 2009

Wer liebe Dunkelefen will, sollte lieber bei Drizzt bleiben

Xirr Nagesh – Das Land der Dunkelelfen

Regionalband für Arcane Codex

Xirr Nagesh ist eine... nun, sagen wir einmal "interessante" Gegend auf Kreijor, der Welt von Arcane Codex. Bisher war eher wenig darüber bekannt – gerade einmal die wenigen Spalten, die eben Platz finden in Grundregeln und ggf. Kompendium, erzählten ein wenig über die Heimat der Morai, deuteten vieles an, aber ließen viele Fragen offen. Um diese Fragen zu beantworten, liegt nun dieses Buch vor – auf 368 Seiten gibt es jede Menge Antworten, wobei jeder Spieler für sich selbst beantworten muß, ob er die überhaupt alle (und stellenweise so explizit) haben wollte...

Was die Spielerschaft angeht, so war Xirr das meistverlangte Quellenbuch zu einem nichtmenschlichen Volk, insofern werden sicher sehr viele Leute darauf gewartet haben, aber deren Meinung dürfte ziemlich geteilt ausfallen; eine völlig objektive Wertung des Werks ist nur sehr schwer möglich, da sehr viele verschiedene Aspekte der Moraigesellschaft hier beleuchtet werden (liegen ja eigentlich eher im Dunklen) – und man merkt auch immer wieder, daß hier verschiedene Autoren am Werke waren. Man kann den Band durchaus mit einer zu stark aufgebrezelten Frau vergleichen – man braucht erst mal nen Schwamm und Abschminke, um zum (wertvollen) Kern vorzudringen, und darf sich von dem ganzen (oft klischeehaften) hämoglobinverseuchten und sexistischen Drumherum nicht abschrecken lassen.

Wenn man also genug Geduld mitbringt, sich wirklich in den Stoff einzulesen (bei der kleinen Schrift und der Seitenanzahl nicht gerade wenig), das ganze Blut (und den F*zensiert*schleim) wegwischt, kommen durchaus einige Dinge ans Licht, die man vielleicht nicht erwartet hätte. Der Band behandelt sowohl Mythos als auch Geschichte und Geographie Xirrs sehr ausführlich, beleuchtet die Kultur der Dunkelelfen von Kindesbeinen an (was auch erklärt, wieso es so selten ist, daß sich ein Mann mal gegen diesen matriarchalischen Machtapparat wehrt – Konditionierung ist schon was effektives), erklärt das Machtgefüge der "Häuser" sowohl untereinander als auch im Haus; sogar für die Sprache Xirr gibt es einen "Wörterbuchteil", nach dem der geneigte Leser sicher sein kann, daß, würden Morai Scrabble spielen, das X nur einen Punkt bringen würde... Leider ist das ganze irgendwo inkonsequent, denn einige Häusernamen (Sorceryn, Tyrannor, Malefir...) zeugen weder von Kreativität noch Originalität – dann kann man auch gleich "Hexenhaus", "Herrscherhaus", … schreiben. Schade eigentlich – aber vermutlich scheuen sich die Autoren da erst recht vor den Ausprachehilfen (die leider auch beim Wörterbuch fehlen). Die neuen dunkelelfenspezifischen Kampfschulen tragen allerdings wiederum teilweise Namen, die kein Mensch aussprechen kann (und anfangs wird sogar das Auseinanderhalten abenteuerlich) – hier wäre es sinnvoller gewesen, "Bedeutungsnamen" zu wählen, schließlich sind die Namen der Schulen im Grundregelwerk auch "beschreibend" und keine Eigennamen.

Wie stellt sich Xirr denn nun insgesamt dar? Ziemlich unangenehm, lebensfeindlich und eher über kurz als über lang tödlich. Selbst die Dunkelelfen selbst haben kein allzu "einfaches" Leben, immerhin ist das Land selbst unwirtlich, giftig und vor allem heiß genug, um ihnen das Leben zu erschweren. Frei nach dem Motto "was dich nicht umbringt, macht dich härter" sind zumindest die Morai gegen Umwelteinflüsse mehr oder weniger abgestumpft, und diese Praktik der "Abhärtung" hat sich auch in ihre Gesellschaft übertragen – irgendwelche "Prüfungen", die ein Dunkelelf einmal zu bestehen hat, sind schmerzhaft, gefährlich und nicht gerade selten tödlich, sollte man versagen. Das verträgt sich insgesamt gut mit dem elitären Denken der Dunkelelfen – wer versagt, war eben "zu schwach", und dementsprechend nicht wert, weiterzuleben. Daß dadurch die Rasse insgesamt immer elitärer wird (und diverse "Riten", was die Reproduktion angeht, unterstützen dies), ist abzusehen; allerdings sind dadurch leider "Ausnahmecharaktere" so extrem selten wie auch gefährdet unter den Dunkelelfen, daß es kaum möglich wäre, sie glaubwürdig zu spielen – schade, sah es doch erst so aus, als käme man mal ein wenig weg vom Klischee, das aber immer wieder Einzug hält in den dunkelelfischen Kulturkreis. Wäre ja auch zu schön, wenn man Dunkelelfen mal nicht mit "Magie, Meuchler, Matriarchenkult" zusammenfassen könnte...

Auch was die Ausbildung und Ausrüstung potentieller SC angeht, wird die Spielerschaft ein wenig enttäuscht – zwar gibt es eine ganze Reihe neuer Schulen und Lektionen, aber z.B. die von vielen erwartete Schule, die sich auf Unterarmklingen (wäre ja typisch Morai) spezialisiert, sucht man vergebens – dafür gibt es Fächerkämpfer, Skorpiongardisten, Kettenkrieger, Echsenritter und sogar Xirr-eigene Druidenvarianten... alles Dunkelelfen-exklusiv, und von daher nur von den selbigen oder von irgendwelchen Wahnsinnigen, die unbedingt nach Xirr wollen (könnte der letzte Wunsch gewesen sein) zu gebrauchen. Überhaupt – der Großteil des Buches findet nur Verwendung, wenn man eine Morai-Kampagne durchziehen möchte, oder aber wirklich mal eine Gruppe über längere Zeit nach Xirr bringt (und wer tut das schon freiwillig...). Morai sind nun mal alles andere als "gruppentauglich", selbst untereinander – wer's nicht glaubt, lese die Kurzgeschichte, die sich durch die verschiedenen Kapitel des Buches zieht (schön geschrieben und sicher sehr passend, und zeigt einmal mehr, wie krank Dunkelelfen in der Birne sind).

Was nicht Morai ist, kann vielleicht maximal als Arenasklave etwas gelten (Gladiatorenkämpfe sind nur einer der extravaganten, dekadenten Zeitvertreibe, die die Dunkelelfen bevorzugen), und außer hochgradig verzweifelten oder wahnsinnigen Individuen wird sich kaum ein Nicht-Morai mit einem Dunkelelfen über längere Zeit verbünden (Und wer's doch tut hat wohl zuviel Drizzt gelesen – huch, falsches System... *g*).

Zwar finden sich auf vielen Seiten Plotanregungen und Aufhänger für Szenarien oder kleinere Kampagnen (und die meisten davon sind auch recht gut), aber die Charakterauswahl für eben diese Szenarien ist leider entsprechend begrenzt.

Weitere Ressourcen sind diverse moraispezifische Ausrüstungsgegenstände (und natürlich ein ganzer Haufen toxischer oder anderweitig unangenehmer Substanzen) – teilweise zu "stachelig", was die Praktikabilität angeht (Fantasy gut und schön, aber wenn der Kämpfer sich eher mit seinen zigfach gezackten Klingen irgendwo verhakt als irgendwem damit zu schaden, stimmt irgendwas nicht); zudem gibt es auch neue Zauber aus den Bereichen, die Morai sicherlich interessieren dürften. Auch findet man einen ganzen Stapel hochstufiger NSCs (Hausvorstände und sonstige High Society aus Xirr).

Was hier unnötig ist, sind die so exakten Angaben über die Fähigkeiten dieser Charaktere. Das sind – punktetechnisch gesprochen – solche Monster, daß Spielercharaktere sowieso höchstens wegrennen sollten, sollte es mal zum Konflikt mit diesen Individuen kommen. Und für gesellschaftliches Geplänkel (was weit reizvoller ist) braucht man die Zahlen nicht wirklich; da sind die Rollenspielhinweise und Beziehungen dieser NSCs untereinander weit nützlicher (zum Glück gibt’s die ja auch, aber mit den überzogenen Talentlisten wurde Platz verschenkt).

Was die Gesamtgestaltung angeht – thematisch ist das Buch geordnet, aber stellenweise strengt es reichlich an (Wie war das noch mit dem X? Und ich will mal sehen, ob die Autoren nicht vielleicht – ohne "Spickzettel" - diese Fachbegriffe nicht auch durcheinanderschmeißen würden... btw wüßte ich gerne mal, wie sie die aussprechen). Das Artwork ist sehr zwiegespalten – einerseits gibt es sehr schöne und passende Zeichnungen, andererseits auch einige Darstellungen, wo ich mich frage, ob ein bestimmter Autor es drauf anlegt, auf den Index zu kommen... nur weiter so, wenn das dein Ziel ist... "geschmacklos" ist da noch nett, und daß die Morai ein sadomaso-orientiertes Volk von Perverslingen sein sollen, kann man notfalls auch schreiben (und dann können es die Spieler, die einfach Rollenspiel betreiben wollen, auch einfacher ignorieren).

Positiv weichen da die Kapitel über die Gesellschaft, die Religion (inklusive der Ausbildung bspw. zur Priesterin) ab – die sind zwar nicht gerade weniger brutal, aber wenigstens ohne Betreten eines Dominastudios nachvollziehbar, wenn man die Kultur der Morai berücksichtigt.

Bedenkt man das alles, ist es verständlich, daß man über das Quellenbuch Xirr sicher kein allgemeingültiges Urteil abgeben kann. Es wird die Spielerschaft sicherlich polarisieren; diejenigen, die vor der oftmals abstoßenden Fassade zurückschrecken müssen Geduld aufbringen, zu "graben" - denn das nützliche liegt unter dieser Schmodderschicht versteckt und muß erst einmal gefunden werden. Entsprechend der sehr unterschiedlichen Erwartungen der Spielerschaft werden die Urteile auch unterschiedlich ausfallen, auf einer extremen Bandbreite von "genialer Hintergrundband" zu "gewaltverherrlichender SM-Porno" ist alles ein zulässiges Urteil.

Mein persönliches Urteil sieht jedenfalls so aus: Einige "Juwelen" sind hier durchaus drin, aber sie zu finden bedarf Geduld, und man muß konkret wissen, wo man auf Durchzug schaltet; das ganze paßt auf jeden Fall gut ins Bild, was den AC-Hintergrund angeht, aber "gruppentauglich" macht es die Morai erst recht nicht – eher im Gegenteil. Wer einfach nur wissen will, wie die Autoren sich Xirr mit seinen Magmaseen und Pilzwäldern vorstellen, ist aber so oder so "richtig".

HerstellerNackter Stahl

Autor

Carolin Berger, Saskia Naescher, Alexander Junk et.al.

Spieler

RPG

Denken

n/a

Glück

n/a

Geschicklichkeit

n/a

Preis

35 € (Buchpreisbindung)

Anzeige Xirr Nagesh ist zum Beispiel erhältlich über den Pegasus-Webshop

2 Kommentar(e):

Infernal Teddy hat gesagt…

Mit anderen Worten: Klingt wie bei den Druchii von GW abgeschrieben...

-IT, alter grummler

Anonym hat gesagt…

Hmm, Vorstellung klingt deutlich besser als das Interview...