x Roachware: Moderne Schrecken

Donnerstag, 6. Dezember 2007

Moderne Schrecken

Cthulhu Now

Es gibt unter den Spielern von Call of Cthulhu verschiedene Einstellungen zum Spiel in anderen Zeiten als den 1920-ern. Zum einen gibt es Leute, die finden, dass man nur in der Welt, die Howard Philips Lovecraft kannte, seinen Mythen Leben einhauchen kann (und sollte). Andererseits gibt es auch Leute, die andere vergangene Zeiten (Victorianisches Zeitalter, Mittelalter, evtl. auch erster Weltkrieg oder Vietnamkrieg) für geeignet halten. Die größten Diskussionen ergeben sich aber aus der Frage, ob man auch in der heutigen Zeit noch glaubwürdige und atmosphärische Abenteuer erleben kann.

Zum Thema ″Cthulhu in der Neuzeit″ hatte Chaosium bereits im Jahr 1992 einen Hintergrundband herausgebracht der allerdings noch unter 40 Seiten Hintergrund- und Regelmaterial enthielt, und zu mehr als zwei Dritteln aus Abenteuern bestand – Abenteuer, die teilweise ohne weiteres auch in die 1920′er gepasst hätten (′City Under the Sea′ verwendet zwar moderne Klein-U-Boote, könnte aber ohne weiteres auch die Tauchanzüge der 1920′er verwenden...). Das Hintergrundmaterial gab auch wenig Hilfeleistung für den hoffnungsvollen Cthulhu-Now-Spielleiter. Ganz anders die Produktion von Pegasus für Deutschland.

Das Hardcover ′Cthulhu Now′ von Pegasus, das im Jahr 2006 erschien, macht nicht nur durch den festen Einband einen edleren Eindruck als das Amerikanische, beinahe 15 Jahre alte Softcover. Schon das Titelbild zeigt, dass es um moderne Zeiten geht, mit Wolkenkratzern in einer Großstadt unter einem düsteren Himmel. Es hat auch mit 245 Seiten fast die doppelte Seitenzahl der Amerikanischen Ausgabe, und hat eine deutlich kleinereSchrift. Alles in allem dürfte daher das vorhandene Material mehr als verdoppelt sein – und wenn man das reine Regel- und Hintergrundmaterial betrachtet (also ohne die Abenteuer), ist das Verhältnis noch auffälliger: rund 40 gegen fast 200 Seiten.

Und diese 200 Seiten lohnen sich wirklich. Wo das Cthulhu-Buch den Spielleiter noch hängen ließ, wenn es um Abenteuerideen ging, sitzt das Pegasus-Hardcover gerammelt voll mit Anspielungen, teilweise und vollständig ausgearbeitetem Material, ohne die notwendigen Hintergrund- und Regelinformationen zu vergessen.

A propos Regeln: Cthulhu Now ist kein komplettes Regelwerk, man benötigt schon zumindest die gratis bei Pegasus verfügbaren Regeln für Einsteiger (knapp 9,5 MB Download). Die sollten zwar in Papierform dem Hardcover beiliegen, aber da die Bücher in den Rolenspielläden idR offen stehen, sollte man entweder beim Kauf nachsehen oder sich die Regeln sofort downloaden. Das komplette Regelwerk zu Call of Cthulhu ist zwar nützlich, aber nicht unbedingt notwendig.

Überhaupt sind die Regeln im Hardcover zurückgedrängt, das Hauptaugenmerk liegt auf den Informationen zur Welt und zu den Möglichkeiten eines modernen Cthulhu. Es gibt zwar Beschreibungen der modernen Fertigkeiten und Berufe, dieser Teil nimmt aber nur etwa 25 Seiten in Beschlag. Dann erfährt man zunächst, wie die moderne Psychiatrie mit den Opfern des Schreckens umgeht (hat zwar nicht den Wert eines Fachaufsatzes, ist aber dennoch sehr fundiert, und stimmt ziemlich mit dem aktuellen Stand der Psychologie und Psychiatrie überein, so weit ich das beurteilen kann). Anschließend kommt ein ausführlicher Teil über Geheimbünde, Sekten und Kulte in der heutigen zeit. Hierbei wird auch darauf eingegangen, was mit beliebten Geheimnissen aus ′klassischen Abenteuern′ geschehen ist, so begegnet man unter anderem Nitocris aus Nyarlathoteps Schatten wieder. Aber auch bekannte tatsächlich existierende Gesellschaften wie der Ku Klux Klan oder Opus die werden in einem Mythoszusammenhang beschrieben.

Ein ausführliches Kapitel wird den ′Neuen Medien′ gewidmet, wobei hier allerdings das Augenmerk eindeutig auf Computern und dem Internet liegt. Medien, die in der Zeit zwischen den 1920ern und dem Internet groß geworden sind (Musik, Fernsehen etc.) werden leider nur kurz erwähnt. (Für ein Beispiel, wie man das Fernsehen direkt als Quelle des Horrors einsetzen könnte, empfehle ich die Folge ′The Idiots Lantern′ aus der 2006er Saison von Doctor Who.) Allerdings ist das Thema Computer und Internet gut und kompetent beschrieben, mit vielen Ideen für den Spielleiter, wie er die Möglichkeiten der modernen Technik für sich ausnutzen kann. Hier wird gezeigt, dass die Befürchtung der ′Anti-Now-Fraktion′, durch die modernen Kommunikationsmittel würde der Kult viel von seinem Schrecken verlieren, nicht stimmt. Im Gegenteil: durch die Kommunikation kann es sogar sein, dass man erst eine Ahnung davon erhält, wie groß die Verschwörung eigentlich sein muss...

Einen ähnlich großen Abschnitt wie die modernen Medien erhält die Kriminalität und ihre Bedeutung in einer Kampagne. Hierbei geht es nicht nur um Terroristen und die Polizei (erstere sind zum Teil bereits im Kapitel über Geheimbünde beschrieben), sondern um alles, was das Leben eines Helden schwieriger (oder angenehmer – Stichwort Drogen) machen kann. Für den Fall, dass die Helden mit dem Gesetz in Konflikt geraten – oder gar selber im Dienste des Gesetzes stehen – ist ein ausführliches Kapitel über polizeiliche Untersuchungsmethoden sowie eines über die Gerichtsmedizin angefügt. Auch hier wurde, so weit ich es beurteilen kann, kompetent und sachkundig über die Situation in Deutschland berichtet, aber auch der Blick über den großen Teich wurde nicht vergessen.

Der Regel- und Hntergrundteil wird abgeschlossen mit einem Kapitel über moderne Ausrüstung, wobei sowohl Waffen als auch andere Ausrüstung (Funkgeräte, Diktiergeräte, aber auch beispelsweise Ofenspray) behandelt werden. Hier fiel mir aber auf, dass ein taser (wie auch der Elektroschocker) als ″ungefährlich″ beschrieben wird, der das Opfer betäubt. Wer je von einer solchen Waffe getroffen wurde, weiss, dass angesichts de induzierten Muskelkrämpfe von Betäubung nicht die Rede sein kann, und wie ungefährlich ein Taser ist, beweisen inzwischen einige Todesfälle in den USA, Kanada und Großbritannien. Diese waren zwar zu dem Zeitpunkt, da das Buch geschrieben wurde, noch nicht bekannt, aber ein Taser wurde und wird als ′less lethal′ (also ′nicht ganz so tödlich′) beschrieben. Inzwischen beurteilt die UNO den Taser bekanntlich als Folterinstrument.

Das Buch wird abgeschlossen mit zwei Abenteuern, Die schreckliche Welt des Fritz Wegener und Eisige Tiefen. Während das erste Abenteuer tief in die psychischen Abgründe eines Geisteskranken blickt, erweckt das zweite eine gute Atmosphäre wie in Das Ding aus einer anderen Welt. Mehr zu sagen, würde die Abenteuer für potenzielle Spieler spoilen, aber so viel kann ich sagen: sie sind beide sehr stimmungsvoll und gut, und zeigen die Möglichkeiten der modernen Welt gut auf.

Alles in allem ist der Pegasus-Band ein wertvoller Zuwachs für eine Cthulhu-Kampagne, und ein Ausflug in die heutige Welt ist, vor allem mit diesem Band, mehr als empfehlenswert.

Hersteller

Pegasus Spiele

Autor

Frank Heller (Red.)

Spieler

Rollenspiel

Denken

n/a

Glück

n/a

Geschicklichkeit

n/a

Preis ca.

29,95 € (Buchpreisbindung)

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