x Roachware: Sonnenscheu

Dienstag, 13. Oktober 2009

Sonnenscheu

Shadowrun Grundregelwerk

Eines der ältesten Rollenspielsysteme ist Shadowrun, das bereits seit den 80er Jahren gespielt wird. Wie auch andere Systeme aus dieser Zeit hat es mit den Jahren eine Reihe Veränderungen erfahren, und ist es wiederholt angepasst und neu aufgelegt worden. Dennoch hat es, mehr als die meisten anderen Systeme, das Basis-Würfelsystem wohl am wenigsten verändert.

Wie auch die beiden anderen 'großen' Systeme in Deutschland aus derselben Zeit - hiermit meine ich bewusst Das Schwarze Auge und (A)D&D: Midgard ist zwar ähnlich alt, ist aber deutlich kleiner - hat Shadowrun inzwischen die Versionsnummer 4 erreicht. Und genau wie die beiden anderen 'Großen' hat Shadowrun (nicht nur) in Deutschland in der Zeit den herausgeber gewechselt. DSA ist, wie bekannt, von Schmidt Spiele über FanPro zu Ulisses gekommen, D&D in Deutschland von Amigo zu Feder und Schwert (und zur Zeit m. W. ohne Herausgeber), in Amerika von TSR zu Wizards of the Coast zu Hasbro, und Shadowrun in den USA von FASA zu FanPro USA (Lizenzgeber war da schon WizKids) zu Catalyst Games, und in Deutschland von FanPro zu Pegasus.

Mehr noch als DSA hat Shadowrun aber noch immer eine treue Fangemeinde, die die 3er Version spielt, und diese ähnlich verbissen verteidigt wie bei D&D. Und wie bei D&D gab es auch lange Zeit einen guten Grund hierfür: die Deutsche Version 4 von FanPro hatte (nicht zu unrecht) in Fankreisen einen schlechten Ruf: Tippfehler, die die Bedeutung von Regeln auf den Kopf stellten, fehlende Regeln, die bei der Übersetzung vergessen worden waren, Regelveränderungen, die zum Teil wohl sinnvoll waren, aber nicht mit den Englischen Regeln zusammenpassten, eine Errata-Liste, die riesig war... Vor allem, wenn man auf Cons Shadowrun spielen wollte, brachten die Regelanpassungen und -änderungen nur Probleme, und sorgten für viel Streit.

Zu Beginnzeiten habe ich auch Shadowrun ausprobiert, bin aber auf einigen Cons von einem Spielstil abgeschreckt worden, der meiner Meinung nach nicht unbedingt zum Rollenspiel passte, obwohl er in einem Kartenspiel zur Rage wurde (und mir in diesem auch gefällt). Ich rede von Munchkin - und von Spieltischdiskussionen im Stile von:

Spieler: "Ich schieße. Ich habe Skill 5, Stat 8, und bin im Nahbereich, das sind 16 Würfel."

Spielleiter: "Aber er steht in Deckung, ziehe Dir 4 Würfel ab."

Spieler: "Hmm... Meine Waffe hat Smartlink, das sind nochmal plus vier Würfel."

Spielleiter: "Ahja. Die Beleuchtung ist schlecht, minus zwei, und..."

Spieler: "Aber Smartlink halbiert den Abzug."

Spielleiter: "Habe ich bereits eingerechnet, der Abzug wäre sonst minus vier. Der Lärm um Dich herum ist aber auch störend, das sind minus drei."

Spieler: Aber ich habe noch.... "

Spielleiter: "Dann ist da noch..."

Und so weiter ad nauseam. Ich denke, man erkennt ganz gut, was ich meine. Ein derartiger Stil zusammen mit den Unterschieden in den verschiedenen Fassungen der Regeln führte dazu, dass die Fanbasis wegbröckelte (obwohl Shadowrunner ja Widrigkeiten gewohnt sind). Da ist natürlich die Frage interessant, inwiefern die neue, 'verbesserte' 4. Auflage von Pegasus die Probleme lösen kann.

Pegasus geht die Sache an mehreren Punkten gleichzeitig an. Zum einen werden in den Regelwerken laut eigener Aussage von Pegasus keine Regeländerungen gegenüber den Amerikanischen Regeln eingeführt - Ausnahme sind die Errata von Catalyst, die in die Deutschen Regelwerke eingepflegt werden. Dies soll dafür sorgen, dass die Diskussionen darüber, welche Regeln jetzt 'richtig' sind, vermindert werden.

Zum zweiten werden die Bücher komplett neu übersetzt - und dabei die neuen Amerikanischen Ausgaben zugrunde gelegt, die für die Neuauflage der 4. Edition (20th Anniversary Edition) verwendet wurden. Auch dies soll die Regelbasis vereinheitlichen.

Zum dritten gibt es ein Supportteam, wie es auch für andere Systeme eingerichtet wurde (hier kann man DSA, Midgard und Cthulhu wohl als die Vorbilder bezeichnen). Diese Supporter sollen das Spiel auf Cons und in Ladenlokalen unterstützen, indem sie Einführungsrunden anbieten, Runden für Fortgeschrittene, Regelfragen beantworten und so weiter.

Und zuguterletzt sollen auch wieder mehr und regelmäßiger (und vor allem, zu den angekündigten Terminen) Regelbände und Abenteuer erscheinen - etwas, was bei Cthulhu (bei geringerem Umfang) auch gelingt, und wobei sich andere Verlage regelmäßig nicht mit Ruhm bekleckern.

Alles in allem also gute Voraussetzungen für den 'Neustart'. Auch wenn die Reihenfolge, in der die neuen Regelbücher erscheinen, dem 'Rollenspiel-Standard' zuwiderlaufen (immerhin wollte man erst die Errata zum Amerikanischen Grundregelwerk abwarten und einarbeiten, während andere Bücher bereits aus den USA vorlagen), wurde gerade das Grundregelwerk allseits mit Spannung erwartet.

Und das neue Grundregelwerk ist meiner Meinung nach gelungen. Es beinhaltet das altbekannte Würfelpool-System von Shadowrun (mit der 4er Neuerung, dass jede 5 und 6 grundsätzlich ein Erfolg sind, und die Schwierigkeit nicht über das Mindestergebnis für den Erfolgswurf, sondern über die Mindestanzahl Erfolge geregelt werden soll). Man findet hier ausführliche Regeln zur Charaktererschaffung (mit einem Punktekaufsystem) und -steigerung, Kampf- und Magieregeln, Ausrüstungslisten, Spielleitertips - grundsätzlich alles, was man fürs Spielen braucht. Hier unterscheidet Shadowrun sich deutlich von Cthulhu: während man bei Cthulhu als Spieler bereits mit dem gratis verfügbaren Einsteigerheftchen vollständig bedient sein kann - alles weitere kann einem der Spielleiter dann erzählen, wenn es nötig wird -, während für den Spielleiter das Spielleiterhandbuch hochinteressant ist, gibt es hier das Grundregelwerk, das für beide Seiten des Spieltisches alles wesentliche enthält.

Die Aufmachung ist, wie bei Pegasus üblich, hochwertig. Ein Hardcover in der neuen Shadowrun-Basisfarbe braun, mit hervorragenden, teilweise sogar brandneuen Zeichnungen, fordert regelrecht zum Stöbern und Lesen heraus. Die Kurzgeschichten, mit denen die Kapitel eingeleitet werden, bieten zwar eine gute Einführung in die Stimmung und den Ton von Shadowrun - für meinen Geschmack hötten sie allerdings etwas kürzer sein dürfen. Gerade wenn man die Regeln sucht, überblättert man die Kurzgeschichten, und für Freizeitlektüre bevorzuge ich das kleinere Format normaler Bücher und Paperbacks. Die farbigen Illustrationen sind hingegen sehr schön, die Archetypen sind nett gemacht (allerdings teilweise schon etwas heftig ausgestattet), und die Regeln gut übersetzt. Nur ganz selten stolpert man über einen Tipp- oder Satzbaufehler, und echte 'Fehlübersetzungen' sind mir ebensowenig aufgefallen wie deutliche Regelungereimtheiten.

Wer bislang - wegen der Regelungereimtheiten oder auch aus Tradition - Shadowrun 3 spielt, oder wer es noch gar nicht spielt, aber gerne einmal ausprobieren möchte, kann schlechteres tun als sich das Grundregelwerk zu besorgen. Man kann sich natürlich auch in eine Supportrunde auf einer Con setzen, aber spätestens wenn man dann eine eigene Runde eröffnen will, benötigt man das Grundregelwerk. Eine gute Investition ist es allemal. Und für echte Hardcore-Runner soll es zur Spiel eine limitierte Luxusausgabe geben, die mit Silberschnitt, silbrigblau glänzendem Einband (siehe links), noch besserem Papier und einer zusätzlichen Kurzgeschichte des Deutschen Autors André Wiesler lockt.

HerstellerPegasus Spiele

Chefredakteur

Tobias Hamelmann

Spieler

RPG

Denken

n/a

Glück

n/a

Geschicklichkeit

n/a

Preis ca.

39,95 €

Anzeige

Das Shadowrun-Grundregelwerk ist unter anderem erhältlich im Pegasus-Webshop

2 Kommentar(e):

MSch hat gesagt…

Was soll das denn heißten? "Eines der ältesten Rollenspiele ..." ???
Aus den ganz späten Achzigern? Das ist (höchstens) 'vierte Generation'.
"Eines der ältesten Rollenspiele ..." daß ich nicht lache!

Unknown hat gesagt…

Von den jetzt (noch) erhältlichen großen ist es eines IMHO der ältesten. Andere große, ältere sind DSA, D&D, Midgard, und ich weiss nicht, ob man Tunnels & Trolls mitnehmen darf. Das einzige andere System, das ich ruhigen Gewissens als 'groß' bezeichnen würde, das mir so auf Anhieg einfällt, wäre die World of Darkness. Und Vampire: The Maskerade ist im Januar 1991 erschienen.