x Roachware: Januar 2011

Freitag, 28. Januar 2011

Neues von den Küstenmagiern



Jetzt beim Flügelpferd

Kaum zu glauben aber wahr: Heute flatterte bei mir eine Pressemitteilung herein, dass Pegasus offizieller Distributor für die Avalon-Hill-Titel von Wizards of the Coast wird.

Das dürfte für viele Fans der Avalon-Hill-Spiele eine gute Nachricht sein. Es ist ja in letzter Zeit ziemlich still geworden um die Wizards und Hasbro/Parker. Gerade die - meist doch qualitativ überzeugenden - Produkte aus dem alten Avalon-Hill-Stall werden damit wohl wieder besser verfügbar werden.

Ich bin ja 'mal gespannt, inwieweit man dan bei Pegasus auch den Support wie bei manchen Steve-Jackson-Games oder zumindest die Messepräsenz wie bei Out of the Box Games machen wird.

Für alle, die so auf die Schnelle nicht mehr wissen, was alles zu 'Avalon Hill' gehört, hier eine Kurzübersicht über die gleichzeitig angekündigten Neu- und Wiedererscheinungen:

  • Ikusa (früher als Shogun verkauft)
  • RoboRally
  • Diplomacy
  • Axis & Allies
  • Acquire

Die genannten Spiele wurden (neben einigen weiteren) ausdrücklich in der Pressemitteilung erwähnt. Ich hoffe, ja, dass das nicht alles bleibt.

Vielleicht kommt es ja noch zur Floating-Vagabond-Ranaissance... Man wird ja noch träumen dürfen ;) Hier klicken um mehr zu lesen...

Dienstag, 25. Januar 2011

Abenteuerlich

AdventureCon 2010

Schon fast ein Jahr ist es her, da war ich in Hamburg auf der AdventureCon. Und wie ich erschrocken feststelle, habe ich noch nicht einmal ein Wort darüber hier von mir gegeben. Was ich hiermit dann (endlich) nachholen möchte.

Der SDNV (Sodalitas Dei Nomine Vacantis e.V. - übersetzt so viel wie: Bruderschaft des Namenlosen Gottes), der den AdventureCon veranstaltet, ist einer der vier Vereine, die auch den NordCon machen. Der AdventureCon ist allerdings ganz in der Hand des SDNV, und findet traditionell gegen Winterende statt. Ort des ganzen ist das Eidelstedter Bürgerhaus, das Mitten im Hamburger Stadtteil Eidelstedt liegt. Gerne hätte ich 'im schönen Hamburger Stadtteil' geschrieben, aber Mitte Februar war der Schnee dort höher als in Bayern, und von Hamburg selber war sowieso nicht viel zu sehen. Es gab in direkter Nachbarschaft einen Marktplatz, und einige Lebensmittelgeschäfte, der Hauptversorger für die Congänger war allerdings der SDNV.


Aber zunächst noch ein paar Worte zu den Räumlichkeiten: Über zwei Etagen verteilten sich die Räume, mit so schönen Namen wie 'Kerker ohne Drachen', 'Krypta', oder auch 'Colosseum'. In 'Turnierplatz', 'Stallungen' und der 'Waffenkammer' fand man allgemeine Karten- und Brettspielrunden, im 'Turmzimmer' den Pegasus-Brettspiel-Support (und, IIRC, auch den von Asmodée).

Die Kantine hatte übrigens den schönen Namen 'TARDIS', war aber leider von innen nicht größer als sie von außen aussah - da änderte auch der silberne Wandbehang nichts, den der SDNV angebracht hatte. Zu klein war sie allerdings auch nicht, zumindest habe ich keine Gelegenheit erlebt, zu der der Raum überfüllt gewesen wäre.

In den Gängen selber war fast der gesamte Platz für den Verkehr frei, nur der Laden (Mitveranstalter Spieldoch) und die Rezeption waren hier zu finden.

Überhaupt tat der SDNV alles, um den Gästen das Leben so angenehm wie möglich zu machen. Sogar ein Kopier- und Druckservice (wenn jemand vergessen hatte, Charakterbögen auszudrucken), oder auch eine Spielregelausleihe waren angeboten - letzteres habe ich noch nie so gesehen, ersteres eher als Kulanz- aber nicht als allgemeines, öffentliches Angebot.

Der Druckdienst war dann auch für die Produktion der ConNews verantwortlich - auch eine nette Idee: insgesamt sechsmal wurde eine ConNews verteilt, mit Hinweisen für die Gäste, Kommentaren zu Runden, Sprüchen und mehr. Man kann die Ausgaben der 2010er Con auch im Wiki des Vereins bewundern. Wen es interessiert: ich war sowohl für die Pralinen von den Ghulen, als auch für den Dreimaster auf dem Salzsee und den Affen zuständig...

Gespielt wurde also so einiges. Neben den Karten- und Brettspielen natürlich auch jede Menge Rolle: Cthulhu, DSA, Shadowrun, Deadlands, Perry Rhodan (!), Arcane Codex, Savage Worlds... Es gab auch ein Cthulhu Live (parallel zu meiner Affenjagd angesetzt), das aber aus wohl nicht von der Spielleitung zu verantwortenden Gründen bereits relativ kurzer Zeit endete, mit der fachmedizinischen Begründung 'Exitus': es gab anscheinend ein Massensterben unter den Teilnehmer-Charakteren. Aber so ist Cthulhu nun mal, da kann auch so etwas passieren.

Viel los war auf dem Wochenende, am Samstagnachmittag schien das Bürgerhaus aus allen Nähten zu platzen. Geschätzt waren laut ConNews zu dem Zeitpunkt 250 Gäste gleichzeitig da, was bedeutete: all voll, all voll. Und dennoch: die Orga blieb auch im größten Stress freundlich. Chapeau!

Was der Orga daher auch ein wenig Probleme bereitete, war die Verköstigung der hungrigen Massen. Sowohl Kuchen als auch Fleisch und Getränke waren wohl deutlich zu knapp kalkuliert worden, und es wurden Expeditionen zur Fourage ausgeschickt. Was aber auch besagt, dass Essen und Trinkern günstig und gut waren! Nudeln mit Gemüsebolognese und nach Wahl Fleischbeilage, Hot Dogs, Curry... Ja, wie schon das erste Beispiel zeigt: es wurde auch an die alternative Verköstigung der Pflanzenfresser gedacht ;)

Dennoch waren die Toiletten, wenn ich sie aufsuchte, sauber und ordentlich, was auch nicht unbedingt selbstverständlich ist und auch schon bei kleineren Cons zu Problemen führen kann.

Alles in allem ein gelungenes Wochenende, und dieses Jahr - am ersten Märzwochende - wird man mich aller Wahrscheinlichkeit nach wieder in Hamburg antreffen können. Wer es schaffen kann: es lohnt sich.


Veranstaltung AdventureCon 2010
Ort Bürgerzentrum Eidelstedt, Hamburg
Eintritt Tageskarte: 3 €, Alle Tage: 5 €
Teilnehmer ca. 500 (ganz grob geschätzt)
Dauer Freitagabend - Sonntagabend
Nächster Con 4.-6. März 2011
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Montag, 17. Januar 2011

Welteisscheibe

Erdenstern: Into the White

Into the White ist die vorletzte CD von Erdenstern aus der 'Library of Fantastic Music', in der bislang alle Scheiben eine Farbe trugen und einem Thema folgten. Wie man bei dem Namen erwarten darf, geht es bei White um Eis und Schnee.

Allerdings ist der Umfang wesentlich größer, als man das eventuell im ersten Moment denken würde. Gerade, da auch die Berge des Wahnsinns soeben von Pegasus neu aufgelegt wurden, denkt man vielleicht automatisch an die arktischen und antarktischen Eiswüsten, übersieht dabei aber, dass das Thema deutlich mehr hergibt. Einmal davon abgesehen, dass man auch auf Hawaii noch Skiurlaub machen kann, gibt es auf unserer Welt viel mehr und variiertere Eis- und Schneegebiete als nur an den Polen.


Und genau das bietet auch die Scheibe. Neben Tracks, bei denen man eindeutig an die Schlittenfahrten der Polarforscher wir Amundsen und Scott erinnert wird, gibt es auch Tracks, bei denen man an ganz andere Gegenden denkt. Der 'Ice Palace' beispielsweise scheint mir eher im Himalaya zu stehen, und die Panflötentöne in 'The Hut' verlagern das Geschehen für mich ähnlich eindeutig in die Anden. Das 'White Realm' wiederum ist zwar von der Gegend her nicht unbedingt genau eingeordnet, bietet aber eher Eindrücke von verschneiten Landschaften und unberührter Natur, aber eben ohne die Einsamkeit und Verzweiflung, die weitab von der Zivilisation und Rettung aufkommen würden. 'First Snow' wiederum kann man sich als Hintergrund einer Szene vorstellen, in dem ein Dorf - sei es im Schwarzwald, im Bornland, im Eiswindtal, in Alba oder wo auch immer - den ersten Schneefall des Jahres feiert.

Ich kann mich auch nicht daran erinnern, dass auf einer früheren CD der Serie ausgiebig von Stimmen gebrauch gemacht worden wäre, was hier allerdings in mehreren Stücken geschieht. Gerade das erste Stück, 'Inuit' gewinnt hierdurch noch, und mach neugierig auf mehr. Der Walzer von 'Snow Queen' - der mich je mehr ich ihn höre, immer mehr an die japanischen Geschichten von der Schneefrau (Yuki-onna) erinnert - würde ohne die Hintergrundstimmen nur halb so verstörend wirken; in der vorliegenden Form muss ich neben der Yuki-onna auch an die Zuckerfee aus dem 'Nussknacker' denken, die nicht ohne Grund auf einer CD 'The X-Themes' zu finden ist... Und das Knurren im Hintergrund von 'Snow Creatures' ist, so sehr das Stück stellenweise an die Kampfstücke von 'Into the Red' erinnert, eine hochwillkommene Erweiterung.

Der Varianz des Themas entsprechend, ist es allerdings so, dass die Musikstücke keine eigene 'Geschichte' erzählen, wie dies bei den anderen CDs der Serie üblich war. Das ist aber kein großer Nachteil, denn wer die CDs für das verwendet, wofür sie eigentlich gedacht sind - also als Hintergrundmusik für eine Rollenspielrunde - wird sowieso die Stücke einzeln nehmen müssen und entsprechende passend einsetzen.

In gewisser Weise ist diese CD natürlich beschränkter einsetzbar als beispielsweise 'Red' oder 'Dark' - Kampf- und Horrorszenen kann man in nahezu jedem Setting einbauen, während die eher fröhlichen Stücke in 'White' weniger zu einem Hellfrost-Abenteuer passen würden, und eine Kampagne auf Tattooine wohl auch wenig mit Eis- und Schnee-Musik anfangen können dürfte. Andererseits gilt ähnliches sicher auch für 'Gold' (orientalisch-indisch) oder 'Gray' (cyberpunkig), und 'White' ist sicherlich weitaus umfassender einsetzbar als nur bei Polarexpeditionen.

Wer die Soundtracks von Erdenstern bereits kennt, sollte sich 'White' nicht entgehen lassen. Als allererste CD ist 'White' sicher nicht die beste Wahl, weil sie eben im Einsatz relativ beschränkt ist, aber wer mit seiner Runde eine Expedition ins ewige Eis oder auch die Tundra und Taiga plant, sollte auch diese CD im Gepäck haben. Mit ca. 15 Euro ist sie auch alles andere als überteuert.

Achja, wer sich bei der Einleitung fragte 'Wieso die vorletzte, Erdenstern kündigte das doch als finale siebte CD an?', dem sei mitgeteilt, dass seit kurzem Erdenstern eine Ideensammlung eröffnet hat für eine wirkliche Abschluss-CD zur Serie. Unter dem Arbeitstitel 'Into the Unknown' sollen Themen aufbereitet werden, die den Hörern noch fehlen, und das im Sinne eines Wunschkonzertes. Im ersten Schritt werden jetzt erst einmal Themen gesammelt. Wem also etwas fehlt: mitmachen!

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Mittwoch, 5. Januar 2011

Kribbel Krabbel

Bugs

Ein Insektenschwarm macht die Nachbarschaft unsicher, stürzt sich auf die verschiedenen Gärten, wird immer größer und zieht weiter. Alle Gartenbesitzer wollen natürlich, dass ihr Garten verschont wird, und tun ihr bestes, um den Schwarm den lieben Nachbarn auf den Hals zu hetzen.

So ungefähr könnte man die 'Story' von Bugs beschreiben, einem kleinen Kartenspiel der Kanadischen Spieleschmiede Valley Games Inc. Man darf diesen Herausgeber allerdings nicht verwechseln mit valleygames.com - letzteres ist eine Webseite, auf der gegen Bezahlung Flash-Computerspiele gespielt werden können. Valley Games Inc. hingegen ist ein 'klassischer' Herausgeber von Brett- und Kartenspielen. Bugs ist eben ein solches Kartenspiel.


Das Spiel kommt in einer festan Kartonschachtel daher, die das Format hat, das man mittlerweile für Kartenspiele als 'Standardformat' bezeichnen würde. In der Verpackung findet sich neben der Spielregel (in Englisch, Deutsch, Französisch, Spanisch, Niederländisch, Italienisch und zwei chinesischen Versionen) nur das Kartendeck, das aus 54 stabilen plastifizierten Karten besteht.

Die meisten Karten zeigen ein Insekt mit einem Zahlenwert - es gibt genau 9 große Schaben (Punktwert 1), 8 Ohrwürmer (2), 7 Raubfliegen (3), 6 Sandlaufkäfer (4), 5 Rossameisen (5), 4 Ameisenlöwen (6), 3 Wespen (7), 2 Springspinnen (8) und eine Gottesanbeterin (9). Außerdem gibt es drei Netze, dreimal ein Insektenspray, einen Kammerjäger und zwei Karten 'Massenvermehrung'.

Das Spiel erinnert ein wenig an den 'Großen Dalmuti'. Es werden 'Stiche' ausgespielt, in die jeder Spieler, wenn er an der Reihe ist, Karten einspielen kann. Hierfür verwendet er entweder Insekten derselben Sorte wie sie der vorige Spieler ausgespielt hat - womit sich der Schwarm vergrößert - oder er spielt eine Gruppe gleicher neuer Insekten aus, die vom Punktewert größer sein muss als der bereits im Stich befindliche Schwarm. Ersatzweise kann man auch mit den drei Sonderkarten das Unheil noch einmal abwenden: mit den Netzen leitet man den Schwarm unverändert an den nächsten Spieler weiter, mit dem Insektenspray schickt man ihn zurück auf den vorherigen Spieler (dreht also die Spielrichtung um). Der Kammerjäger setzt die aktuelle Schwarmgröße auf Null - wobei der existierende Schwarm allerdings auf dem Tisch bleibt. Wer auch das nicht tun will oder kann, stattdessen auch den Schwarm auf die Hand nehmen und einen neuen Schwarm beginnen. Achja, die 'Massenvermehrung' kann wie ein Joker in jede Insektengruppe, die ausgespielt wird, aufgenommen werden und zählt dann wie ein Insekt dieser Art.

Die Sonderkarten (Netz, Spray, Kammerjäger, Massenvermehrung) werden allerdings nicht mit auf die Hand aufgenommen, sondern kommen auf den Ablagestapel.

Ablagestapel? Ja, denn wer eine Insektensorte komplett auf seiner Hand findet, darf diese Gruppe ebenso komplett auf den Ablagestapel entsorgen. Hierduch werden es im Laufe der Zeit immer weniger Insekten, die die Nachbarschaft noch unsicher machen können - und irgendwann spielt jemand seine letzte Karte aus, und beendet damit die aktuelle Runde siegreich. Alle anderen Spieler erhalten je einen Minuspunkt für jede Karte, die sie noch auf der Hand haben. Nach sechs Runden wird zusammengezählt: wer die wenigsten Punkte hat, hat gewonnen.

Auch diese Spielregel enthält wieder eine pseudo-witzige Bestimmung des Startspielers: Wer zuetzt auf ein Insekt getreten ist. Leider ist das nicht der einzige Designfehler, auch wenn sie nicht so gravierend sind.

Unschön war, dass eine wichtige Regel (das Vernichten von kompletten Insektengruppen) in der Spielregel als 'Spezialregel' eerwähnt wird - was durch die Überschrift den Eindruck erweckt, dass es sich hierbei um eine Optionale Regel handelt. Ohne dieses Entsorgen endet eine Runde aber nie, weil es einem Spieler nie möglich ist, alle Karten abzulegen.

Der letzte Design-'bug' wurde von einer Mitspielerin festgestellt, die Linkshänderin ist: die Karten sind leider so entworfen, dass die Werte nur von Rechtshändern gut gelesen werden können. Zahlen in allen vier Ecken wären schön gewesen.

Eine nette Zufügung zu den Regeln sind die kurzen Beschreibungen der neun Tierarten, die auf den Karten abgebildet sind. Zwar sehr kurz, dürften sie für manchen dennoch die erste nähere Bekanntschaft mit manchen der Tiere bedeuten.

Das Spiel an sich ist, wie auch der bereits genannte Dalmuti, ein schnelles, einfaches Kartenspiel, das auch Gelegenheitsspielern gut gefallen dürfte. Für fortgeschrittene Spieler ist es vielleicht ein wenig zu flach, aber als kleines Zwischendurchspiel auf einer Party tut es auch da gute Dienste. Und der Preis macht es auch für jeden erschwinglich.

HerstellerValley Games Inc.
AutorKeith Meyers
Spieler3-6
Denken6
Glück5
Geschicklichkeit0
Preis ca.13 €
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Sonntag, 2. Januar 2011

Mehr (Gas-)Licht

Midgard: Abenteuer 1880


Das späte viktorianische Zeitalter - auch bekannt als 'Gaslicht-Periode' - ist neben der Zukunft und fantastischen Welten eine der beliebtesten Perioden für das Rollenspiel. Auch wenn sie effektiv die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts sowie die ersten Jahre des 20. Jahrhunderts abdeckt, wird, wenn eine Jahreszahl genannt wird, meist die 1880 genannt.

In der Gaslicht-Periode erschienen einige 'Klassiker' der Krimi- und Abenteuerliteratur, so u.a. die ersten Sherlock-Holmes-Geschichten, Professor Challenger, die Romane von Jules Verne, Huckleberry Finn, die ersten Werke von Karl May, Multatuli... Kein Wunder also, dass diese Periode die Basis bildet für Periodenbände oder gar komplette Rollenspiele, wie zum Beispiel Cthulhu bei Gaslicht, Private Eye - oder auch Midgard: Abenteuer 1880.


Die neue Ausgabe von Abenteuer 1880 (es gab bereits eine ältere Ausgabe, aus dem Jahr 1994) wird nicht vom Verlag für F&SF-Spiele, sondern in Lizenz von Effing Flying Pig Press herausgegeben. Mit 20,6 x 28,0 cm² ist das Buch minimal größer als DIN D4, eingebunden ist es in einen festen, plastifizierten Kartoneinband. Mit 112 Seiten ist es verglichen mit anderen Regelwerken eher dünn, aber dennoch komplett.

Die Struktur des Buches ähnelt der von anderen Grundregelwerken. Es beginnt, wie üblich, mit einem Vorwort - das aber bereits mehr Informationen liefert als so manches große Einführungskapitel eines anderen Systems. Neben einer Erläuterung, warum man beschlossen hat, für die Spielleitung weibliche, für die Spieler männliche Pronomina zu verwenden (die mich mindestens genausogut überzeugt wie die in anderen Büchern, und die auf mich weniger störend wirkt als das 'streng pro Kapitel abwechseln' gewisser anderer Systeme) findet man hier eine Kurzübersicht über den Kapitelaufbau, ein Vergleich des Systems mit dem Original-Midgard und eine Übersicht über die (minimalen) Änderungen verglichen mit der 1994er Version von Abenteuer 1880.

Ein wenig ungewöhnlich (wenn auch von anderen Büchern desselben Systems wie z.B. dem Perry-Rhodan-Rollenspiel her bekannt) ist es, dass erst eine Übersicht über die Welt und die spielbaren Charaktere ohne Spielwerte zu finden ist. Man kann sich also hier bereits überlegen, was man spielen will, ohne durch Spielwerte beeinflusst zu werden. In diese Weltbeschreibung fließen auch Abenteueraufbau und soziale Gegebenheiten ein, und die Frage, wie man mit der im spätviktorianischen Zeitalter immer noch vorhandenen Benachteiligung der Frau umgehen kann.

Im 2. Kapitel wird dann der Charakter erschaffen. Für Midgard-Kenner: das System ähnelt dem Midgard-System in großem Naße. Man würfelt also für jede Eigenschaft (Stärke, Geschicklichkeit, Gewandtheit, Konstitution, Intelligenz) zwei Prozentwürfel und nimmt den besten, für 'mediales Talent' (das in anderen Inkarnationen auch als 'Psi-Potential' bezeichnet wird) einen Prozentwürfel. Sollten sich hierbei zu schlechte Werte ergeben, kann der Spielleiter erlauben, einen neuen Charalkter zu erstellen - wobei der verworfene Charakter als abhängiger NSC (z.B. ein Mündel), für den der SC verantwortlich ist, Dienst tut. Man 'erkauft' sich also sozusagen den 'Reroll' durch einen Nachteil: abhängiger Charakter.

Im weiteren werden dann die übrigen Eckwerte des Charakters bestimmt: Schadensbonus, Aussehen, Bewegung, Willenskraft, Lebenspunkte und so weiter werden wie bei Midgard in Abhängigkeit von den Haupteigenschaften ermittelt. Zusätzlich kann man eine 'besondere angeboene Fähigkeit' erwürfeln - hierbei gibt es eine zehnprozentige Chance, dass etwas schlechtes erwürfelt wird (Kurzsichtigkeit, Hyposmie, oder ähnliches), ansonsten gibt es einen Bonus auf bestimmte Grundfähigkeiten.

Eine Eigenheit des Systems der Maßstab des Ruhms, der als Doppelzahl angemerkt wird: wir berühmt / berüchtigt ist jemand. Hierbei sind zu Spielbeginn Maximalwerte von 13 bzw. 8 möglich, wobei ein 'normales' Maximum für den Normalmenschen von 100 in beiden Bereichen gilt. Steigerung dieser Werte sind Effekte von Abenteuern, aber nicht erlernte Fähigkeiten.

Zuguterletzt (wir befinden uns immer noch im 2. Kapitel) erhält der Charakter neben allgemeinen Hintergrundinformationen noch eine Grundausbildung in Schule und Lehrjahren. Hierbei erhält man Basiskenntnisse inm einigen für den Beruf wichtigen Fertigkeiten - zur Personalisierung kosten diese Fertigkeiten Lernpunkte (idR 5-15 Stück) für die er sich Basiskenntnisse kaufen kann, die je nach Fertigkeit 1 bis 5 Lernpunkte kosten.

Achja, welche Berufe gibt es eigentlich? Insgesamt gibt es 16 Berufe: Agent, Arzt, Archäologe, Athlet, Diplomat, Feldforscher, Entdecker, Glücksritter, Händler, Journalist, Ingenieur, Kirchenmann, Kriminalist, Künstler, Naturforscher und Soldat.

All das findet sich deutlich beschrieben auf nicht mehr als 15 Seiten. Anhand dieser Beschreibung ist es leicht, einen funktionierenden Charakter zu erstellen.

Im 3. Kapitel werden dann Prüfwürfe, Kraftakte, Erfolgs- und Widerstandswürfe erklärt. Prüfwürfe sind Prozentwürfe gegen Eigenschaften, Kratftakte und Geistesblitze Prüfwürfe gegen ein Zehntel von Stärke bzw. Intelligenz. Erfolgswürfe sind Würfe mit einem W20, auf den der Bonus der Fertigkeit addiert wird, gegen 20: eine Summe von 20 ist ein Erfolg. Ein Widerstandswurf ist grundsätzlich wie ein Erfolgswurf abzuhandeln, wird allerdings nur notwendig, wenn die Gegenseite zuerst Erfolg hatte, und sie werden gegen das Eregebnis der Gegenseite gewürfelt. Außerdem wird hier alles zum Thema Kampf und Bewegung gesagt, was ein Abenteuer bedeutsam ist.

Im 4. Kapitel werden die Fertigkeiten näher erläutert. Dieses Kapitel ist mit 31 Seiten eindeutig das größte im Buch, was wohl viele überraschen dürfte, denn in den meisten Rollenspielsystemen ist der eindeutig umfangreichste Teil der Serien der Kampfteil - sogar bei Systemen, die von sich selbst behaupten, Kämpfe eher zu vermeiden. Hier bietet das Regelwerk schon durch den Umfang eine deutliche Einordnung, was wichtig ist und was nicht. Viele der hier zusammengestellten Fertigkeits-Beschreibungen betreffen Sonderfälle, so dass man eine gute Grundlage hat um einzuschätzen, welche Situation was für einen Würfelmodifikator erfordert.

Viele Fertigkeiten haben Mindestwerte für Eigenschaften, unterhalb derer sie nicht erlernt werden können. Für fast jede Fertigkeit gibt es mindestens einen speziellen dieser Werte, auch wenn dieser (z.B. Gewandtheit für Abwehr) einen Mindestwert von 01 hat. Diese spezielle Eigenschaft wird auch als 'Leiteigenschaft' bezeichnet: Extremwerte in dieser Leiteigenschaften geben zum einen beim Erlernen der Eigenschaft im Rahmen der Ausbildung einen Extrabonus, zum anderen verkürzen und/oder vereinfachen sie auch das Lernen bzw. Steigern der Ferrtigkeit.

Die Liste der Fertigkeiten ist nicht komplett identisch mit den Fertigkeiten aus Midgard, was aber auch nicht verwundern darf. Zum einen gibt es natürlich Fertigkeiten, die einem Midgard-Charakter (Fantasy) nichts nützen würden - zum Beispiel Ballonfahren, Fotografieren oder auch Telegrafieren, zum anderen wurden auch einige Fertigkeiten als wenig abenteuerrelevant gestrichen.

Im 5. Kapitel geht es um Ruhm und Reichtum. Ruhm und 'Ruch' zeigen an, wie berühmt bzw. berüchtigt ein Charakter ist - wobei ein hoher Wert in einem der beiden nicht unbedingt auch einen hohen Wert im anderen bedingt, aber auch nicht verhindert. Wichtig ist allerdings, dass - worauf ausdrücklich hingewiesen wird - diese Werte darstellen, was 'Otto Müller, der Durchschnittsbürger' von einem Charakter hält, und das kann in manchen Punkten deutlich von unseren Denkweisen abweichen - Sozialdemokraten werden ebenso schief angesehen wie Nihilisten oder Anarchisten oder auch Frauenrechtler...

Berühmtheit und Berüchtigtheit können sich natürlich im Laufe der Zeit verändern. Proben hierauf und auch Steigerungen laufen ähnlich ab wie beispielsweise bei Cthulhu: mit Prozentwürfeln. Für Steigerungen wird auf den Wert gewürfelt, und wenn man ihn überwürfelt, erhält man einen meist größeren Bonus, wenn nicht, einen kleineren (zum Beispiel 2W6 resp. 2 Punkte). Auch kann eine Ruhmsteigerung eine Verminderung der Berüchtigtheit verursachen und umgekehrt, so lange der jeweils beeinflusste Wert höher ist als der beeinflussende (weil sich sowieso verändernde) Wert.

Was Geld und Geldmittel angeht, wird ein vereinfachendes Ressourcensystem verwendet: In Stufen von A bis L werden Klassen und Besitztümer eingeteilt, und zeigen an, welchen Lebensstandard sich jemand leisten kann. Diese Klasse kann sich mit relativ geringen Prozentchancen verändern, auch können besonders ergiebige Abenteuer oder besonders verschwenderisches Leben die Klasse verändern. Immerhin braucht man hier nicht, wie in vielen anderen Systemen kleinteilig (andere sagen 'hartwurstig') jede Einzelheit durchzurechnen, was dem Flair der Zeit und der beeinflussenden Romane ziemlich nahe kommt.

Im 6. Kapitel geht es dann um Erfahrung und das Steigern der Fertigkeiten. Diese Regeln sind nahezu identisch mit denen des 'klassischen' Midgard.

Abgeschlossen wird das Regelwerk dann mit 'zusätzlichen Regeln', in denen Sonderfälle zusammengefasst sind wir besonders junge oder besonders alte Helden, gezielte Schüsse, wilde Tiere (ein Bestiarium), Krankheiten und Gifte, psychische Belastbarkeit, Sprengstoffe - und Zauberei. Die Welt von Midgard 1880 kennt magische Geheimgesellschaften, Zauberei und ähnliches, auch wenn Zauberei den Nichtspielercharakteren vorbehalten bleibt. Ein moderneres Beispiel, wie man sich das vorstellen kann, wären die Geschichten um Bob Morane oder die um Modesty Blaise. Auch hier sind die Helden selber nicht besonders begabt, begegnen aber immer wieder NSC, die in magischer oder technischer Hinsicht wahre Zauberer sind. Von der umgebenden Welt einmal abgesehen (Bob Morane: früher kalter Krieg, Modesty Blaise: kalter Krieg bis junge Vergangenheit) entsprechen beide Serien dem Bild, das das Regelwerk als Option anbietet - und mehr als eine Option ist es auch nicht. Wer will, kann auch rein mundäne Abenteuer wie Sherlock-Holmes- und Professor-Challenger-Geschichten spielen.

Abgeschlossen wird das Buch durch ein Abbildungs- und ein Stichwortverzeichnis sowie eine Kopiervorlage für einen Charakterbogen. Leider ist die Heftung des Buches nicht hundertprozentig: nach dem ersten Durchlesen stellte ich bereits fest, dass die Klebeheftung des Bandes an einer Stelle im Auflösen begriffen war.

Die Illustrationen entsprechen dem Thema und der Zeit - es handelt sich als in erster Linie um zeitgenössische Fotos. Auch wenn ich beim allerersten Durchblättern dachte, es seien arg wenig Illustrationen vorhanden, muss ich das nach dem Durchlesen zurücknehmen: der Text ist nicht eine Bleiwüste, sondern wird angenehm strukturiert und durch Bilder unterbrochen, die auch die Stimmung der Zeit gut einfangen.

Für Leute, die sich einmal in der Gaslicht-Ära umtun wollen aber weder den nachdrücklichen Steampunk eines Castle Falkenstein, noch den Horror eines Cthulhu Gaslicht suchen, aber andererseits auch der nüchternen Ratio eines Private Eye abgeneigt sind, könnte Midgard 1880 eine interessante Alternative darstellen - und für Midgard-Spieler sowieso, da das System dem ihnen bekannten doch sehr weit ähnelt.

HerstellerEffing Flying Green Pig Press unter Lizenz des Verlags für F&SF-Spiele
AutorenHeinrich Glumpler, Jürgen E. Franke, Rainer nagel, Michael Haberer, Sven Scheurer, Steffen Schütte
Spieler RPG
Denken RPG
Glück RPG
Geschicklichkeit RPG
Preis € 14,95 (Buchpreisbindung)


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